Betritt man die Bletterbachschlucht in Südtirol, tritt man ein in ein offenes Buch der Erdgeschichte. Schicht um Schicht erzählt der Fels von vergangenen Zeiten – von Vulkanen, tropischen Lagunen und urzeitlichen Tieren. Auf acht Kilometern Länge hat sich der Bach tief in das Gestein gegraben, bis zu 400 Meter hinab, und damit ein Naturwunder erschaffen, das man nicht umsonst den »Grand Canyon Südtirols« nennt. 

Eine geologische Schatzkammer 

Man wandert durch rote, gelbe und graue Steinschichten, die wie eine Galerie der Natur wirken. Der Bozner Quarzporphyr, geboren aus gewaltigen Vulkanausbrüchen vor rund 280 Millionen Jahren, glüht in sattem Rot. Der Grödner Sandstein, durchzogen von fossilen Spuren, erzählt von Flüssen, Dünen und längst verschwundenen Pflanzen. Und die Bellerophon-Schichten, reich an Gips und Salz, lassen tropische Lagunen und flache Meeresarme vor dem inneren Auge entstehen. 

Zwischen diesen Gesteinen stößt man auf Fossilien, versteinerte Muscheln und uralte Tierfährten – stille Zeugen einer Welt, die vor 250 Millionen Jahren blühte. 

UNESCO-Welterbe Dolomiten 

Die Bletterbachschlucht ist Teil des UNESCO-Weltnaturerbes Dolomiten, das sich über 142.000 Hektar erstreckt und neun Teilgebiete umfasst – von der Marmolada über die Drei Zinnen bis zu den Dolomiti di Brenta. 

In Südtirol gehören dazu die Naturparks Schlern–Rosengarten, Puez–Geisler, Fanes–Sennes–Prags, Drei Zinnen sowie das Naturdenkmal Bletterbachschlucht. Diese Aufnahme in die Welterbeliste verpflichtet: Sie bedeutet Schutz, Verantwortung und das Versprechen, diese einzigartige Landschaft auch für kommende Generationen zu bewahren. 

Wandern im Grand Canyon Südtirols 

Wer den Bletterbach erwandert, erlebt Natur wie in einem lebendigen Museum. Am besten startet man im Besucherzentrum in Aldein oder im kleinen Bergdorf Radein. Von dort führen Wanderwege entlang der Schlucht, vorbei an tosenden Wasserfällen, bizarren Felsformationen und ruhigen Rastplätzen. 

Mit jedem Schritt blickt man tiefer in die Vergangenheit – und doch ist es gerade die Gegenwart, die hier so intensiv spürbar wird: das Rauschen des Wassers, das Echo der Felsen, der weite Blick hinauf zum Weißhorn. 

Geologie zum Anfassen 

Die Gesteinsschichten im Bletterbach sind weltweit einzigartig erhalten. Sie zeigen Flussablagerungen mit Schrägschichtungen und Trockenrissen, die Spuren urzeitlicher Ozeane und sogar Schlotbrekzien von einstigen Vulkanausbrüchen. Hier begegnet man dem Cephalopodenbank mit seinen fossilen Meeresbewohnern ebenso wie den massiven Dolomiten-Schichten, die den Gipfel des Weißhorns formen. 

Fazit: Ein Naturwunder voller Geschichten 

Die Bletterbachschlucht in den Dolomiten ist mehr als eine Wanderung. Sie ist eine Reise durch 40 Millionen Jahre Erdgeschichte, ein Ort, an dem man die Entstehung der Dolomiten mit eigenen Augen sehen kann. Familien, Geologen, Wanderer und Naturfreunde gleichermaßen lassen sich hier von den Farben, Formen und Fossilien faszinieren. 

Wer die Dolomiten wirklich verstehen will, der beginnt seine Reise hier – im Bletterbach, dem UNESCO-Weltnaturerbe Südtirols.

Ein Beitrag von
Sunhikes
Redaktions-Team